ZEITZEUGEN
Der Kinderarzt, Neuro- und Sozialpädiater
Prof. Dr. Hans-Michel Straßburg, geboren 1948. Im Ruhestand seit 2011.

Er ist Kinderarzt mit den Schwerpunkten im Bereich der Neuro- und der Sozialpädiatrie sowie der Medizingeschichte.

Schon während seiner Studienzeit in den 60iger Jahren hat er Erfahrungen in verschiedenen Einrichtungen der Erwachsenen-Psychiatrie sammeln können. Seine kinderärztliche Ausbildung hat er an der Universitäts-Kinderklinik in Freiburg absolviert, danach war er eine Zeit lang am Kinderzentrum München, dem ersten Sozialpädiatrischen Zentrum in Deutschland, tätig. Von 1991 bis 2011 war er Professor für Kinder- und Jugendmedizin mit den Schwerpunkten Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie am Universitäts-Klinikum Würzburg und hat das Sozialpädiatrische Zentrum „Frühdiagnosezentrum“ aufgebaut und geleitet.

Dies ist eines von 140 vergleichbaren Einrichtungen in Deutschland, die seit den 90iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts für Kinder mit Entwicklungsauffälligkeiten, chronischen Krankheiten und Behinderungen eingerichtet wurden. Hier werden die Kinder inter- und multidisziplinär untersucht und ein Behandlungsplan für die weitere Betreuung in peripheren Einrichtungen erstellt.

Ca. 10 % aller Kinder haben in den ersten Lebensjahren unterschiedliche Entwicklungsauffälligkeiten, aber nur 1 % haben bleibende schwere Beeinträchtigungen. Jedes Jahr werden in den Sozialpädiatrischen Zentren, die für durchschnittlich 450 000 Einwohner zuständig sind, ca. 250 000 Kinder behandelt, in Würzburg waren es in den vergangenen 20 Jahren ca. 20 000 Kinder.

Die Leiterin des jugendpsychiatrisch-psychologischen Dienstes am Landesjugendamt
Dr. Charlotte Köttgen
Geboren 1941, Psychiaterin, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie/- psychotherapie in Hamburg, Leiterin des jugendpsychiatrisch-psychologischen Dienstes am Landesjugendamt, Hamburg, zuständig für Grundsatzaufgaben und Beratung für Kinder in den Hilfen zur Erziehung. In ihrer sozialpsychiatrischen Arbeit verschrieb sie sich der konstruktiven Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, wendete sich öffentlich gegen Psychiatrisierung und Medikalisierung, gegen Abschiebungen und Repressionen. Seit 2003 ist sie im Ruhestand und Mitglied der DGSP, sie ist Herausgeberin von zahlreichen Fachartikeln und Büchern unter anderem wie „Wenn alle Stricke reißen“ und „Ausgegrenzt und mittendrin – Jugendliche zwischen Erziehung, Therapie und Strafe“
Der Psychotherapeut
Hans von Lüpke Geboren 1937, ursprünglich ausgebildeter Neuro-Pädiater und Diagnostiker, hat eine lange Wandlung zur psychoanalytischen Lehre vollzogen und arbeitet heute noch als Psychotherapeut und als Supervisor für Kindergartenpersonal in Frankfurt am Main. Er sagt, dass unverstandene Kinder als schwierig empfunden werden, sobald sie anfangen zu stören. Für ihn stellt Hyperaktivität keine Störung dar, sondern eine unspezifische Bewältigungsstrategie bei Beeinträchtigungen ganz unterschiedlicher Art. Die Gemeinsamkeit liegt bei Auslösern wie Angst, Unsicherheit und Verwirrung, Damit ist nichts über mögliche Ursachen und „Schuld“-Fragen, „richtige“ oder „falsche“ Behandlung gesagt. (…) Zum anderen wird deutlich, dass es bei der Hyperaktivität auch um eine Auseinandersetzung mit der Umwelt geht. Das Problem kann nicht auf das Individuum eingegrenzt werden
Teamleiter einer Heimaufsicht
Harald Doenst
Geboren 1937, war im Leitungsteam des Landeswohlfahrtsverbandes, der 1970 die Umstrukturierung der Heimerziehung in Gang setzte und kontrollieren musste. Mit dem SPZ Kalmenhof in Idstein, Jugendheim Idstein, Jugendheim Staffelberg in Biedenkopf, Jugendheim Lahneck in Buchenau, Jugenheim Karlshof in Waben und geschlossenes Mädchenheim Guxhagen hatte er ein schweres Erbe zu verwalten.
Die Psychologin
Gertrud Zovkic
Geboren 1931, Studium der Psychologie an den Universitäten in Münster und Marburg. Diplom an der Uni Marburg 1959. Von 1960 bis 1961 war sie als Psychotherapeutin im heilpädagogischen Kinderheim des Caritasverbandes in Mannheim tätig. 1962 kam sie in das heilpädagogische Kinderheim Leppermühle, wo sie genau die Situation vorfand, die Rene Spitz in seinen Untersuchungen beschrieben hat. In der Leppermühle hatte Gertrud Zovkic gute Bedingungen etwas zu verändern. Schon nach kurzer Zeit holten die meisten Kinder, insbesondere die Krabbel- und Kleinkinder ihre Defizite auf. Nach etwa zwei Jahren bewarb sie sich für die neu eingerichtete Stelle einer Psychologin im sog. Heilpädagogischen Kinderheim Kalmenhof des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Das Heim war damals sehr groß, ungefähr 600 Insassen in verschiedenen Häusern und sie hatte ebenfalls die Aufgabe die Gruppen zu verkleinern durch Entlassungen oder Verlegung in andere Heime. Die Zustände, die sie in den Gruppen vorfand, waren sehr desolat. Examinierte Heimerzieher gab es kaum. Gertrud Zovkic musste feststellen, dass die meisten Erzieher ihre Autorität auf Gewalt stützten und wenig Liebe und Zuwendung für die Kinder hatten. Lange Zeit hatte sie geglaubt, bei den Vorgesetzten in Kassel Gehör zu finden, um Veränderungen zu bewirken, aber es geschah nichts. Allmählich sickerte über Praktikanten durch, dass Prügel und andere Strafen insbesondere in den Jungen-Gruppen regelmäßig angewendet wurden. Es bedurfte jedoch erst der sog. Heimkampagne, um die Vergehen an die Öffentlichkeit zu bringen. In diesem Zusammenhang wurde ihr gekündigt mit der Begründung, sie hätte ihre dienstlichen Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber verletzt.
Das ehemalige Heimkind (Kalmenhof)
Heinz Schreyer, Frankfurt am Main, geboren 1956 in Marburg. Er war von Geburt an bis 1967 im Kinderheim Bethesda wo er eine feste Bezugsperson hatte, anschließend von 1967 bis 1972 im Kalmenhof. 1972 bis 1978 konnte er eine Maler-und Lackiererlehre absolvieren. Seine Mutter war seit ihrem 12 Lebensjahr im Kalmenhof und stand während der NS Zeit auf der sogenannten Liste unwerten Lebens. Ihm liegen Unterlagen vor, die zeigen, dass er regelmäßig Medikamente erhalten hat, unter anderem die Neuroleptika Haldol und Dominal. Interview mit Michaela Koller, TAGESPOST 14.03.2018
Die Heimerzieherin
M.M., geboren 1939, Heimerzieherschule 1959-1961 Hephata, nach der Ausbildung Stationen als Heimerzieherin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Marburg, Lebenshilfe Mutters Werkstatt, im Kerstinheim, in der Heimarbeit Zelle, in der Gifhorner Lebenshilfe; Zusatzausbildung als Heilpädagogin
Das ehemalige Heimkind (Hephata-Anstalten)
Thomas Hasper
Jahrgang 1954, 1959 bis 1970 in Hephata, Hessen
Thomas Hasper wurde im Alter von 9 Tagen wegen der Obdachlosigkeit der Mutter im Bremer Kinderheim Kirchbachstraße abgegeben. Man begann damit, ihm Medikamente zu verabreichen. 1960 wurde er in einem Erziehungsbereich gebracht, wo die Medikamente abgesetzt worden sind und Hasper angefangen hat, die Schule zu besuchen. Interview Frankfurter Rundschau 17.02.2018
Der Nachbar in Treysa
Geboren 1935, ehemaliger Lehrer. Er hat als Nachbar seit 1945 die verschiedenen Entwicklungsschritte der Einrichtungen der Hephata Anstalten nachvollzogen. In seiner Eigenschaft als Hobby-Archivar und Fotograf hat er die Anstalten in den 50er und 60er Jahren auch von innen erleben können.
 
Haus Zoar – Sammlung Thomas Hasper